Vor 100 Jahren eine Überlegung für Bergquerung von Minden nach Rinteln / Technische Hindernisse zu groß
VON WILHELM GERNTRUP

Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). Die Mahnung des Rintelner Landrates war deutlich: "Wir werden gut daran tun, das Projekt einer nüchternen Prüfung, sowohl nach der technischen, als auch nach der finanziellen Seite hin, zu unterwerfen."
 
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Der "Endpunkt" der Strecke Minden-Kleinenbremen. Von hier aus sollte es nach den damaligen Plänen steil bergauf in Richtung Todenmänner Pass weitergehen.

Das sagte Hans Dietrich von Ditfurth vor 100 Jahren. Die Mahnung des königlich-preußischen Beamten galt einem Vorhaben, das für jede Menge Aufregung und Gesprächsstoff sorgte - dem Bau einer Eisenbahn von Minden nach Rinteln über den Wesergebirgspass oberhalb von Kleinenbremen. Die Idee war Ende des 19. Jahrhunderts dem Eisenbahnunternehmer Sprickerhoff gekommen. Der "Gleisbaupionier" aus Hannover ließ sich 1898 von der preußischen Provinzialregierung Minden eine Bau- und Betriebslizenz für sein Vorhaben ausstellen. Zunächst sollte der Abschnitt Minden-Kleinenbremen fertiggestellt und anschließend der dann Rest bis Rinteln gebaut werden.
 

Förderleistung drastisch erhöhen

Auslöser des Plans war der Aufwärtstrend der Kleinenbremer Eisensteinzeche Wohlverwahrt. Der neue Besitzer, die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten AG, wollte die Förderleistung drastisch hochfahren. Nach den Vorstellungen Sprickerhoffs sollten die Steine über seine Trasse zur Staatsbahn-Station Minden abgefahren werden. Doch daraus wurde nichts. Die neuen Wohlverwahrt-Herren nahmen den Transport selber in die Hand und legten eine eigene Grubenbahn zum Bahnhof Porta an. Der Plan der Minden-Rintelner Wesergebirgstrasse verschwand in der Schublade.

Doch dann kam die Sache - für alle unerwartet - ein paar Jahre später erneut in Gang. Auslöser war das Jahrhundertvorhaben Mittellandkanal. Nach der um 1906 weitgehend fertigen Verlaufsplanung war Minden als Warenumschlagshafen im Gespräch. Bei den Überlegungen und Vorausberechnungen des benötigten Mindestfrachtaufkommens begann man sich an die Sprickerhoff-Idee zu erinnern.

Ende 1906 gab der Mindener Landrat Cornelsen eine vorläufige Kosten-Nutzen-Analyse in Auftrag. Der Plan sei gut, befanden die Gutachter, schlugen jedoch eine Änderung der favorisierten Trassenführung vor. Statt der technisch aufwendigen und teuren
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Wesergebirgsüberquerung solle der Gleisstrang von Kleinenbremen aus über Luhden nach Buchholz weitergeführt und dort (unterhalb der Arensburg) an die bereits 1900 fertiggestellte Eisenbahnlinie Stadthagen-Rinteln angebunden werden.

Im April 1907 setzten sich die Betroffenen an einen Tisch. Die Vorstellungen der zur preußischen Provinz Hannover gehörenden Grafschaft Schaumburg gab Landrat Ditfurth zu Protokoll. Die Interessen des Fürstentums Schaumburg-Lippe wurden von Regierungschef von Feilitzsch, dem Bückeburger Landrat Hinüber und - auf

Von Anfang an ging es beim Minden-Rinteln-Projekt auch und vor allem um den Transport des Kleinenbremer Eisenerzes. Hier die Verladestelle der Grube Wohlverwahrt um 1900. Repros: Wilhelm Gerntrup

ausdrücklichen Wunsch der Schlossherrschaft - von Bückeburgs Bürgermeister Külz wahrgenommen. Außerdem waren angesehene Sachverständige, darunter Eisenbahnspezialisten, Geologen und Verkehrsfachleute, dabei.

Das Projekt sei "als allgemein wünschenswert und rentabel betrachtet" worden, fasste Gastgeber und Regierungspräsident Kruse das Ergebnis in einem Gesprächsprotokoll zusammen. Man kam überein, das Projekt auf der Grundlage der Rahmenvorgaben von einem "Gründungskomitee" weiterbehandeln und vorantreiben zu lassen.

Ursprungsidee lebt auf

Zu Mitgliedern wurden die Landräte sowie Külz bestimmt. Der nutzte die Plattform, um die Interessen der Residenz in den Vordergrund zu rücken. Der Abschnitt Kleinenbremen-Buchholz müsse über einen "Selliendorfer Bogen" bis an die Stadtgrenze Bückeburgs herangeführt werden, so Külz Forderung.

Im gleichen Maße, wie die Buchholz-Lösung zerredet wurde, lebte die alte Idee einer Wesergebirgsquerung wieder auf. Neben den Mindenern wollten mittlerweile immer mehr Leute aus Rinteln und Umgebung den Schienenstrang über den Kleinenbremen-Todenmanner Gebirgspass. Ein Grund war die herrschende "Eisenbahneuphorie". Schienen wurden nicht nur als Transportweg, sondern als Garant für Zukunft und Wohlergehen betrachtet.

Hauptargument der Befürworter war der Fremdenverkehr. Die neue Strecke werde ein Heer von Touristen zu den Naturschönheiten und Ausflugslokalen zwischen Rinteln und Hameln befördern. Die Wesergebirgshöhen sowie Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten entlang der Weser waren im Kommen. Das Gros der Besucher war mit der Bahn unterwegs.

In dieser Situation schaltete sich Landrat Ditfurth ein. "Eine neue Bahn ist nur zweckmäßig, wenn sie zwei größere Wirtschaftsgebiete besser als bisher miteinander verbindet, oder wenn sie Gegenden mit starker Gütererzeugung und Versendung erschließt", hielt er den Befürwortern vor. "Beide Voraussetzungen treffen nicht zu."

Zudem sei mit technischen Herausforderungen zu rechnen. "Der Endpunkt der Bahn bei Kleinenbremen liegt auf 119 Meter über Normalnull, die Passhöhe am niedrigsten Punkte auf plus 149 Meter und unsere Staatsbahn in Rinteln auf plus 58 Meter." Um die Unterschiede bewältigen zu können, müsse das Tal zwischen Wülpker Egge und Papenbrink um bis zu 30 Meter abgesenkt werden. Dies wirkte. Die Pro-Wesergebirgsbahn-Aktivisten verstummten.

31.07.2012
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