Es war Weihnachten 1944. Das kriegsgeschehen steigerte sich zu immer größerer Dramatik. Die Reichshauptstadt, schwer getroften durch Brand- und Sprengbomben, sank in Trümmer. Auch der Berliner Dom, in dessen Grüften Schätze der Hohenzollern lagerten, war teilweise zerstört.

Zu jener Zeit erschien Freiherr v. Plettenberg aus Bückeburg als der Generalbevollmächtigte des Hauses Hohenzollern bei Pastor Strathmann, der ihm von früher gut bekannt war, mit einem wichtigen Anliegen. Wäre nicht der Keller der kirche von kleinenbremen ein geeigneter Ort, einen Teil des Hohenzollernschatzes aufzunehmen? Die preußische Krone etwa und einiges andere?

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Die Krone der Preußenkönige


Pastor Strathmann überlegte und gab dann zur Antwort: ,,Ich will es tun, weil ich eine Möglichkeit zu sehen glaube, es tun zu können. Kommen Sie, wir müssen es uns ansehen!" Beim Schein der Kerze stieg man ins Gewölbe hinab, und unter der Kellertreppe wählten die beiden Männer den Platz, der ihnen zweckmäßig erschien. Nach acht Tagen war der Freiherr mit den Schätzen aus Berlin zurück. Er hatte sie während der Autofahrt in zwei zugelöteten Kassetten auf seinen Knien gehalten. Nun mußten die Kassetten eingemauert werden. Niemand erschien als Helfer würdiger als der Maurermeister Friedrich Ackmann und der Kirchendiener Friedrich Aldag. Beide ruhen nun schon auf dem Friedhof. Als das Auto aus Berlin abends gegen 20 Uhr in Kleinenbremen eintraf, sagte der Pastor zu seinen beiden Getreuen nur die Worte: ,,Es ist soweit!" Wieder stieg man die steile Treppe hinab. Unter die letzten Stufen schob man die Kassetten. Der Pastor hielt die Kerze, der Maurer mauerte und der Kirchendiener hand langerte.

Eine halbmeterhohe Wand wurde gezogen, verputzt und der Putz so mit Kohlenstaub verschmiert, daß sich die Stelle von den übrigen Wänden des Kellers nicht mehr abhob. Wer wollte vermuten, daß hier Preußens Königskrone läge?

Deutschland ging dem Zusammenbruch entgegen. Anfang April 1945 trafen belgische Truppen in Kleinenbremen ein. Frhr. v. Plettenberg war im März 1945 im Zusammenhang mit den Ereignissen des 20. Juli in einem Berliner Gefängnis umgekommen. Die Preußenkrone schien vergessen. Ein Jahr lang predigte Pastor Strathmann von der Kanzel über dem Gewölbe, das den Schatz barg. Unten in den Kirchenbänken ahnte niemand etwas davon.

Am 3. Januar 1946 erfuhr der Pastor durch einen Hofkammerrat der Hohenzollernverwaltung, daß man den Prinzen Oskar von Hohenzollern nach Bückeburg gebracht habe, um von ihm die Herausgabe der Preußenschätze zu verlangen. Sehr beunruhigt begab sich Pastor Strathmann zur Hofkammer, wo er auch eine persönliche Begegnung mit dem Prinzen hatte. Der Prinz erklärte: ,,Ich werde jede Auskunft verweigern." Woher hatten die Engländer Wind bekommen? Diese Frage ist bis heute noch nicht restlos geklärt. Tatsache ist, daß eine Aktennotiz der Ursprung war, die zwei Angaben enthielt: ,,Kirche zu Kleinenbremen" und ,,vermauert".

Es wird vermutet, daß Frhr. v. Plettenberg vor seinem Tode, als der furchtbare Ausgang des Krieges drohte, selbst diese Aktennotiz in der Sorge gemacht hat, daß eines Tages niemand mehr wissen könnte, wo sich Preußens Krone befindet. Pastor Strathmann sagte später:

Ich habe lange unter dem Verdacht gelitten, daß die Kunde aus Kleinenbremen gekommen sein könnte. Die Kleinenbremer aber haben geschwiegen wie das Grab. Von hieraus ist nichts ruchbar geworden." Die Engländer wußten also bescheid. Dem Prinzen wurde deshalb geraten, den Schatz herauszugeben.

Am Abend des gleichen Tages, als Pastor Strathmann an seinem Schreibtisch saß, klopfte es, und herein kam der engl. Kommandant von Bückeburg mit einem damals bekannten Dolmetscher. Die einzigen Worte des Engländers waren: ,,Die Kirche ist beschlagnahmt!" Pastor Strathmann erwiderte: ,,Es erübrigt sich, die Kirche zu beschlagnahmen, denn wochentags abends geht kein Mensch in die Kirche." Inzwischen aber hatte man einen Zettel mit der Verfügung der Beschlagnahme an das Gotteshaus geklebt.

 

 

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Eine Tabaksdose von Friedrich dem Großen


Am anderen Morgen um 10 Uhr erschienen die Engländer mit einer Eskorte am Pfarrhaus. In ihrer Begleitung befand sich Prinz Oskar mit einem Hofkammerrat der Hohenzollern. Der alte Maurermeister war mit Hammer und Meißel bestellt worden. Der Pastor schritt der Gruppe voran. Schweigend stieg man die Treppe hinunter, und schweigend verharrte man, als dumpf die Hammerschläge durch das Gewölbe dröhnten und der Hohlraum mit den beiden Kassetten freigelegt wurde. Der Prinz stand neben dem Pfarrer. Aschfahl war sein Gesicht. Noch kein Wort war gefallen. Der engl. Offizier trug die Kassette mit der Krone und den Tabaksdosen des Alten Fritz selbst hinauf. Im Vorraum der Kirche wandte er sich kurz an den Pfarrer: ,,Haben sie noch etwas von den Hohenzollern? Als dieser das verneinte, bestieg man die Autos und fuhr davon.

Alles, was die Kirche zu Kleinenbremen durch die Verschwiegenheit treuer Männer bewahrte, ist später in die Verwaltung des Hauses Hohenzollern zurückgegeben worden. Im Jahre 1948 nahm Graf Hardenberg als Bevollmächtigter der Hohenzollern die preußische Königskrone und die Tabaksdosen im Rahmen eines feierlichen Aktes wieder in Empfang. Heute befinden sich die genannten Schätze auf der Burg Hohenzollern, und wer einmal nach Süddeutschland kommt, kann zur Burg hinauffahren und sich Krone und Tabaksdosen ansehen.

Werner Stamm
Quelle: 8oo Jahre Kleinenbremen