Vor 140 Jahren wurde in einem aufsehenerregenden Prozeß ein 33jähriger Mann aus Kleinenbremen wegen Mordes zum Tode verurteilt

RichtblockAuf diesem Richtblock und mit diesem Beil wurde der Kleinenbremer Friedrich Tebbe am 9. Januar 1858 enthauptet. Die Gerätschaften sind heute im Städtischen Museum Herford zu sehen. Es war das letzte Mal im heimischen Raum, daß ein Scharfrichter seines Amtes walten mußte. Repro: Wilhelm Gerntrup
Von Wilhelm Gerntrup

Porta Westfalica (gp). 140 Jahre ist es her, da trat in der heimischen Region letztmals ein Scharfrichter in Aktion. Unter seinem Beil starb am 9. Januar 1858 der damals 33jährige Friedrich Tebbe aus Kleinenbremen. Tebbe war knapp ein Jahr zuvor in einem aufsehenerregenden Prozeß wegen Mordes zum Tode verurteilt worden. Prozeß und Hinrichtung fanden in Herford statt damals Sitz des für Kapitalverbrechen im preußischen Minden-Ravensberg zuständigen Schwurgerichts.

Der Mord, der Tebbe zur Last gelegt wurde, hatte sich in der Nacht zum Pfingstsonntag des Jahres 1856 auf dem Spiershof in Kleinenbremen (Nr. 37) ereignet. Das Anwesen, älteren

Einwohnern auch als Watermannshof bekannt, liegt nur ein paar Schritte von der Kirche entfernt mitten im Dorf. Dort wurde am Morgen des 11. Mai der 32jährige Johann Heinrich Spier erdrosselt aufgefunden. Der junge Mann war der Stiefsohn Tebbes. Er war von seinem verstorbenen leiblichen Vater als Erbe bestimmt worden und sollte wenige Tage den Hof übernehmen.

Die Nachricht von dem Verbrechen verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Am frühen Pfingstmorgen, als man diese Greueltat erfuhr, ging ein Schreien des Entsetzens durchs Dorf, ja durch die ganze Gemeinde, schilderte der damalige Pastor Johann Christian Carl Gößling die ungeheure Erregung und Anteilnahme in der Einwohnerschaft.

Für Gößling und die meisten anderen Kleinenbremer stand sofort fest, wer der Mörder war. Jedermanns Verdacht fiel sogleich auf Friedrich Tebbe, notierte der Pfarrer. Er gab seinen Verdacht auch vor Gericht zu Protokoll, wo er und eine ganze Reihe anderer Nachbarn als Zeugen aussagen mußten.

Jähzornig und gewalttätig

Die Vorverurteilung schien berechtigt. Tebbe war als jähzornig und gewalttätig bekannt. Die meisten Abende trieb er sich beim Kartenspiel im Wirtshaus herum. Dazu kam sein wenig Vertrauen erweckendes Äußeres. Ein Mann von mittlerer Größe, kräftigem Körperbau und einem widerwärtigen Gesicht, in welches die Sünde ihre Spuren tief eingegraben hatte, schilderte das Herforder Kreisblatt in den späteren Prozeßberichten das Erscheinungsbild des Angeklagten.

Auch das Motiv lag sozusagen auf der Hand. Etwa sieben Jahre vor der Tat hatte Tebbe auf dem Spiershof, auf dem er früher schon als Knecht gearbeitet hatte, eingeheiratet. Die Spiersbäuerin war kurz vorher Witwe geworden. Sie war 30 Jahre älter als ihr neuer, mit dem sie Gerüchten im Dorf zufolge schon vorher ein Verhältnis gehabt hatte. Vergebens hatten Nachbarn und Verwandte versucht, der Frau die Ehe mit ihrem aus Wülpke stammenden Liebhaber auszureden.

Die Befürchtungen bewahrheiteten sich schnell. Zank, Streit und sogar Handgreiflichkeiten waren an der Tagesordnung. Unter dem neuen Hausherrn und Stiefvater hatten vor allem die drei Kinder aus erster Ehe zu leiden. Der älteste Sohn Johann Heinrich Spier hatte mit seiner Mutter abgemacht, daß die Übergabe des Hofes spätestens am 33. Geburtstag des Jungbauern zu geschehen habe, wenn er zu diesem Zeitpunkt verheiratet sein sollte.

Was geschah in jener Nacht?

Mit der Aussicht, die Verfügungsgewalt über Hof und Gut abgeben zu müssen, schien sich Tebbe nicht abfinden zu wollen. Wenn die Rede darauf kam, stieß er Beschimpfungen und Drohungen aus. Die Ausfälle steigerten sich, als sich Johann Heinrich Spier verlobte und der Tag seines 33. Geburtstags immer näher rückte.

Was sich in der Mordnacht abspielte, wurde nie ganz aufgeklärt. Zur mutmaßlichen Tatzeit um Mitternacht hielten sich neben dem Opfer dessen Mutter, seine Schwester Wilhelmine, ein 15jähriger Hausknecht und Friedrich Tebbe im Hause auf. Entdeckt wurde die Tat gegen 1.30 Uhr nachts von dem jüngeren Bruder des Opfers, Tönnies Spier, der um diese Zeit nach Hause kam und einen Freund mitgebracht hatte, um ihn auf dem Hof übernachten zu lassen. Die beiden fanden Johann Heinrich Spier in der gemeinsamen Schlafkammer auf dem Fußboden liegend. An seinem Hals hing noch der Strick, mit dem er erdrosselt worden war.

Tebbe, der von den Ereignissen um ihn herum völlig unbeeindruckt schien, wurde nach kurzem Verhör nach Minden und von dort aus ins Zuchthaus Herford überführt. Er stritt bis zuletzt ab, den Mord begangen zu haben. Da Augenzeugen und andere eindeutige Beweismittel fehlten, kam es ein Jahr später vor dem Herforder Schwurgericht zu einem Indizienprozeß. Zum Verhängnis wurden dem mutmaßlichen Mörder nicht zuletzt die Aussagen seiner Frau und seiner Stiefkinder. So hatte Tebbe noch am Tage vor der Tat während eines heftigen Familienstreits in Gegenwart eines Nachbarn ausgerufen Es soll einer tot sein oder das Haus angezündet werden!

Pfarrer Gößling hat die gespenstische Szene der Urteilsverkündung für die Kleinenbremer Gemeindechronik aufgezeichnet: Nach einer längeren Beratung, die die Geschworenen am vierten April des Nachmittags am Schlusse der Verhandlung unter sich pflogen, traten dieselben, zwölf an der Zahl, wieder in den Gerichtssaal. Eine lautlose Stille herrschte, eine große Spannung war auf allen Antlitzen zu lesen; der Vorsitzende der Geschworenen, Justizrat Schmidts aus Minden, trat mit dem Urteil in der Hand hervor und las unter der größten Erwartung der Zuschauer: Der Colon Tebbe ist mit großer Mehrheit der Stimmen zum Tode verurteilt.

Bei diesen Worten empfand sicherlich jeder tiefe Erschütterung; ein leises Gemurmel ging durch die Versammlung: Das hätten wir nicht gedacht!. Der Mörder saß da wie eine Bildsäule auf der Anklagebank, ließ den Kopf hängen, es kam keine Träne in seine Augen, kein Zucken über seine Lippen. Als der Gerichts-Präsident ihn fragte : Haben Sie hierüber etwas zu sagen?, so antwortete er: Nein.

An Eisenringen festgebunden

Das Urteil wurde am 9. Januar 1858 um acht Uhr morgens in einem Innenhof des Zuchthauses vollstreckt. Als Augenzeugen waren zwölf ehrbare Herforder Bürger dienstverpflichtet worden. Sie mußten vorher auf Anordnung der preußischen Regierung vom Magistrat der Stadt ausgewählt werden.

Die Hinrichtung erfolgte, wie damals in Preußen üblich, durch Enthauptung mit dem Beil. Der Verurteilte wurde mit gefesselten Händen aus seiner Zelle geführt. Der Staatsanwalt verlas nochmals das Todesurteil.

Dann ging alles sehr schnell. Tebbe wurden die Augen verbunden. Die Knechte des Scharfrichters führten ihn zu dem Richtblock, wo er sich hinknien und seinen Kopf in die dafür vorgesehene Einkerbung legen mußte. Arme und Hände wurden an zwei am Block befestigten Eisenringen festgebunden. Dann erhob der Scharfrichter das Beil . . . Gleich danach wurden Leichnam und Kopf in einen bereitgestellten Sarg gelegt, der anschließend auf dem Gefängnisfriedhof vergraben wurde.

Quelle: www.mt-online.de
29.11.1998