Spektakulärer Vortrag im Kleinenbremer Besucherbergwerk / Heimatforscher kündigt Gegenausgrabungen im Teutoburger Wald an

Von Wilhelm Gerntrup

Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). Hermann der Cherusker, Varus und die vermeintliche oder tatsächliche Schlacht im Teutoburger Walde - der kurze, heftige Aufmarsch der Römer in der heimischen Region vor 2000 Jahren fasziniert Wissenschaftler, Heimatkundler und interessierte Laien bis auf den heutigen Tag. Entsprechend groß waren die Erwartungen der 60 Zuhörer, als der engagierte Stadthäger Heimatforscher Rolf Bökemeier dieser Tage im Kleinenbremer Besucherbergwerk das Ergebnis seiner langjährigen Untersuchungen vorstellte, die zum Teil anderen Forschungsergebnissen widersprechen.

Aus Lütkenbrenier Sicht besonders interessant der Hnweis, daß der als via regia antiqua bekannte königliche Heerweg über den Kleinenbremer Paß geführt habe. Der Durchgang durch die Porta Westfalica war für schwere Truppenverbände wie für die zeitweise mit acht Legionen (80 000 Mann) operierenden Römer damals noch nicht möglich. Nach Aussage Bökemeiers dürften deshalb die Römer bei ihren Vorstößen gegen die Germanen zwischen elf vor Chr. und 16 nach Chr. des öfteren durch Kleinenbremen gekommen sein.

Mit Sicherheit kann der pensionierte Oberstudienrat das von dem Heerzug des Tiberius im Jahre vier nach Chr. sagen, der damals weit in die nördlichen Bereiche des unwegsamen germanischen Territoriums vorgedrungen sei. Bökemeier berichtete in diesem Zusammenhang von römischen Münzen, die man vor 100 Jahren in Kleinenbremen gefunden habe, über deren Verbleib man heute aber nur noch spekulieren könne.

Eine beträchtliche, bis heute nicht ausreichend gewürdigte historische Bedeutung für die Römerforschung hat laut Bökemeier auch die Weserfurt zwischen Varenholz und Veltheim. Der damals relativ bequeme Flußübergang habe bei den strategischen Überlegungen und Aufmärschen der römischen Heerführer, ebenso wie die Mindener Sandfurt, eine wichtige Rolle gespielt.

Laut Referent ist die Gegend um Kleinenbremen ein weiteres Mal während der Römerepoche im Jahre 16 nach Chr. in Erscheinung getreten. Damals sei es während der Feldzüge des römischen Heerführers Germanicus im Gebiet zwischen Minden und Steinbergen zur sogenannten Chariovalda-Schlacht gekommen. Der Name stamme von einem in römischen Diensten stehenden germanischen Stammesführer, der von Germanicus zur Absicherung des Weserübergangs bei Minden gegen die auf der rechten Flußseite lauernden Cherusker vorgeschickt worden sei. Dabei sei die Reiterei Chariovaldas in einen Hinterhalt gelockt und fast völlig vernichtet worden.

Bei seiner Suche nach dem Ort des Geschehens ist Bökemeier auf die exakten Geländebeschreibungen des römischen Geschichtsschreibers Cornelius Tacitus aufmerksam geworden - neben archäologischen Zeugnissen bis heute eine der wichtigsten Quellen der Römerforschung. Als weiterer Beweis dienen dem passionierten Stadthäger Altertumsforscher, der auch als Buchautor hervorgetreten ist, römische Münzfunde südlich von Röcke, die heute - genau wie die Kleinenbremer Funde - als verschollen gelten, vormals aber dokumentiert worden waren.

Eine lebhafte Diskussion lösten insbesondere die Thesen Bökemeiers zum Schauplatz der legendären Varus-Schlacht im Jahre neun n. Chr. aus. Der glorreiche Befreiungsschlag der Germanen unter Führung des Cheruskerfürsten Arminius habe sich nicht, wie neuerdings immer mehr Fachleute meinten, in der Osnabrücker Region bei Kalkriese (Bericht im MT), sondern doch, wie früher angenommen, im Teutoburger Walde abgespielt. Die sensationellen Waffen- und Münzfunde in Kalkriese ordnet der Stadthäger einem ähnlich dramatischen Gemetzel zwischen Römern und Cheruskern sechs Jahre nach der Varus-Niederlage während der sogenannten Germanicus-Feldzüge zu.

Der historische Hintergrund zu diesen Feldzügen: In den Jahren 14 bis 16 waren erneut römische Legionen im Germanenland unterwegs, um das verlorene Terrain zurückzuerobern und Rache für die Varus-Niederlage zu üben. Dabei wurden im Jahre 15 n. Chr. die getrennt agierenden Legionen des römischen Generals Caesina, eines Kampfgefährten des Heerführers Germanicus, von Cherusker-Fürst Arminius (Herrmann der Cherusker) abermals in einen Hinterhalt gelockt. Um ein Haar wäre es den Caecinia-Legionen genauso ergangen wie zuvor den Varus-Truppen. Nur mit Mühe und nach großen Verlusten konnten sich die rund 40 000 Mann starken Einheiten aus ihrer mißlichen Lage befreien.

Dieser - historisch verbürgte - Kampf hat sich laut Bökemeier, anders als das vorausgegangene Varus-Debakel, in Kalkriese ereignet. Zur Begründung verwies er auf die strategischen Bewegungen der von der Lippe her aufmarschierenden Germanicus-Streitkräfte, die Herkunft der in Kalkriese gefundenen Münzen und auf die detaillierten Tacitus-Beschreibungen. Zum Beweis seiner Thesen kündigte der Stadthäger gezielte Gegenausgrabungen noch in diesem Sommer an. Schwerpunkt wird die Gegend am Teutoburger Wald sein, um das dort vermutete Ausgangslager des Varus vor der Vernichtungsschlacht nachzuweisen.

Bei den lippischen Behörden, Archäologen und Heimatforschern begegnet man den Plänen und Thesen des engagierten Römer-Forschers mit viel Sympathie. Mir wurde in großem Umfang Unterstützung zugesagt, verriet Bökemeier und ließ anklingen, daß die Lippe-Detmolder viel dafür geben würden, um die Varus-Schlacht wieder in den Teutoburger Wald und zum Herrmannsdenkmal zurückzubekommen.

Quelle: Mindener Tageblatt