Museumsgespräch: Simone Weigel zeigt ein gesticktes Seidentuch, die Bernsteinkette und ein Band – alles lässt sich auch heute noch tragen. Foto: Stefan Lyrath (© 1106pw-tracht) Porta Westfalica-Kleinenbremen (Ly). Teile der Bückeburger Tracht, deren Blütezeit im 19. Jahrhundert lag, sind auch heute noch alltagstauglich. Zu diesem Schluss kommt Simone Weigel von der Tanz- und Trachtengruppe des TuS Kleinenbremen. Für die Motten oder Mülltonne sei diese Kleidung viel zu schade. Modebewussten, die keine Tracht im Schrank haben, rät Simone Weigel, auf Börsen zuzugreifen, um bei verschiedenen Anlässen gut angezogen zu sein. Aber: Ein bisschen Mut gehört dazu, die Sachen anzuziehen. Ein Beispiel: „Perlenhandschuhe kann man prima zu Jeans und T-Shirt tragen – oder im Theater“, sagt Simone Weigel, während sie als Referentin in der Reihe der Kleinenbremer Museumsgespräche auf einem langen Tisch diverse Kleidungsstücke aus dem großen Fundus der Gruppe ausbreitet. Trachtenjacken, Röcke, gestickte Seidentücher, bunte Gürtel, eine schwere Bernsteinkette. Noch mehr Beispiele gefällig? „Tücher kann man ebenfalls wieder hervorholen, um sie als Stola über dem Kleid zu tragen. Auch Hüte sind durchaus kleidsam“, meint Simone Weigel. Oder Seidentücher, ein richtiger Hingucker: „Angst vor Farbe hatte man früher nicht.“ Im nächsten Moment holt Weigel ein Umschlagtuch hervor und stellt eine eher rhetorisch gemeinte Frage: „Warum sollte man das nicht verwenden? Und auf dem Sofa ist es damit auch kuschelig.“ Auch der Trachtenschmuck müsse nicht in der Kiste bleiben. Ob es gleich die ein Pfund schwere Bernsteinkette sein muss, ist Geschmackssache. Alles hat seine Grenzen. „Es gibt Sachen, da lässt man’s lieber bleiben“, räumt Simone Weigel ein und nennt ein Beispiel: „Mit einer Fellmütze würde ich nicht losgehen. Ich weiß auch nicht, ob jemand bereit wäre, einen Kittel im Alltag anzuziehen.“ So oder so: In vielen Schränken liegen offenbar noch wahre Schätze. „Von der Männertracht ist im Original allerdings nur noch wenig vorhanden“, erklärt Norbert Gerntrup von der Tanz- und Trachtengruppe. Dabei machen beispielsweise schicke Westen auch heute noch eine Menge her – kombiniert mit modernen Sachen. Die TuS-Gruppe hat sich den Erhalt dieser historischen Kleidung der ländlichen Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben. Die Bückeburger Tracht, auch als „Westerten-Dracht“ bekannt, wurde in Kleinenbremen, Nammen und Wülpke getragen, leicht abgeändert in Eisbergen. Aus Holtrup ist eine stark angewandelte Form dieser Tracht bekannt. Die Bückeburger Festtagstracht, von allen Bückeburger Trachten die prunkvollste, lässt sich an der großen Schleifenhaube erkennen, die mit den Jahren aus purer Eitelkeit immer größer geworden ist. Außerdem trugen Frauen unter anderem einen roten Bandrock, bunte Gürtel, Seidenstickereien, Schmuck, Schürze, Kragen und Unterarmstulpen, die so genannten „Handschen“. Allein das Anlegen der Haube dauert mehrere Minuten. Zum Binden der Schleifen ist fremde Hilfe nötig. Da hatten es Männer deutlich einfacher mit der Trachten-Mode: Sie trugen einen weißen Kittel, Weste und Hut, den Schmuck allerdings bloß im Verborgenen. Die Festtagstracht wurde jedoch nur bei bestimmen Anlässen angezogen, nämlich zu weltlichen oder geistlichen Feiern. Ausgenommen war von dieser Regel übrigens das heilige Abendmahl in der Kirche. Eher schmucklos war dagegen die Alltags- und Arbeitskleidung. Für Trauer, Freudenzeit, Konfirmation oder Hochzeit gab es wieder andere Trachten. Im Alltag wird heute in Kleinenbremen keine Tracht mehr getragen, dafür aber zu besonderen Gelegenheiten mit umso größerer Begeisterung: Bei Festen ist die traditionelle Kleidung noch immer im praktischen Gebrauch, wenn die TuS-Aktiven beim Tanzen ihre Röcke fliegen lassen – zuletzt vor hunderten von Zuschauern auf dem Dorfmarkt. Die Tracht bleibt eben ein echter Hingucker.
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