Gestalten der Nacht (von links): Jack the Ripper (Daniel Schneider), das Albtraum-Mädchen (Svenja Moser), Jacks letztes Opfer (Yvonne Schneider), die nette Mrs. Lovely (Sarah Moser) und der fiese Darbach (Norbert Gerntrup). Fotos: Stefan Lyrath Porta Westfalica-Kleinenbremen (Ly). Auf dem Weg zur Mühle kommt den Gästen in der Dämmerung eine dunkel gekleidete Frau entgegen. „Die Stimmen in meinem Kopf gehen nicht weg“, sagt die Unbekannte. Sie wirkt verzweifelt. Zwei Besucherinnen trauen sich kaum noch, den Keller zu betreten, von wo es ins Gebäude geht. Sie müssen es geahnt haben: Hinter der Tür zum zweiten Raum lehnt eine Frau mit blutiger Kehle an der Wand. Freundlich ist hier nur Mrs. Lovely, die den Ankömmlingen „Fingerfood“ anbietet: Fleisch im Teigmantel. Die Ahnungslosen können ja nicht wissen, dass die nette Dame arme Waisenkinder und sogar ihren eigenen Mann zu leckerer Pastete verarbeitet hat. Das erfahren sie erst später. „Hat Ihnen das Fingerfood gemundet?“, fragt der fiese Darbach, ein Nachfahre der Kleinenbremer Henker, zu fortgeschrittener Stunde. Dazu wedelt er mit einer Galgenschlinge und sagt: „Ich kann am besten beurteilen, ob Sie heute Abend wieder nach Hause kommen.“ Darbach (Norbert Gerntrup) führt durch das Programm.
Bühne frei für Mrs. Lovely (Sarah Moser), das Albtraum-Mädchen (Svenja Moser) mit den Stimmen im Kopf - und für das jüngste Opfer von Jack the Ripper (Daniel Schneider), wie alle anderen eine Prostituierte (Yvonne Schneider). Durch die Ritzen pfeift der Wind, die alten Bohlen knarren, vom Dachboden sind Schritte zu hören, von draußen Donner. Platz ist nur für 50 Seelen. Die drei Schauspielerinnen gehören zu „Kultur und feines Mehl“, einem ambitionierten Projekt der Tanz- und Trachtengruppe des TuS Kleinenbremen sowie des örtlichen Heimatvereins. Jede liest zwei eigene Geschichten, bei denen das Blut in den Adern gefriert. Jack erzählt eine davon aus seiner Sicht. Sprachlich und schauspielerisch erreichen die Frauen ein hohes Niveau. Wer gerade aussetzt mit dem Lesen, sitzt nicht einfach da, sondern spielt die Rolle weiter. Sarah Moser lächelt irre, Svenja Moser wirft verzweifelte Blicke ins Publikum, Yvonne Schneider wiegt ihren Oberkörper hin und her. Ihre Angst überträgt sich auf die Zuhörer, denn Jack the Ripper, der berühmt-berüchtigte Londoner Schlitzer, ist nicht totzukriegen. Der neue Jack ist Gerichtsmediziner, die perfekte Tarnung. Er lässt es so aussehen, als habe ein Mann im Blutrausch die Opfer verstümmelt. Daran denkt er, wenn die Leichen in der Pathologie auf seinem Tisch liegen. Nie wird jemand darauf kommen, dass er der Mörder ist. Eine Prostituierte hat den Fehler gemacht, in sein Auto zu steigen. Jetzt liegt sie auf seinem Tisch, die Augen verbunden, Hände und Füße gefesselt. Dann kommt der Tod. Das Mädchen (Yvonne Schneider) lässt den Kopf in den Nacken fallen. Zu sehen ist eine durchschnittene Kehle. Diese Lesung ist erst ab 16 – aus guten Grund. Zuvor hat das Albtraum-Mädchen von ihren dunklen Träumen erzählt, in denen Spinnen und Käfer vorkommen, Blut und Fleischfetzen. Und Clowns, die sie auslachen. Eines Tages - das Mädchen ist hellwach - steht ein solcher Clown vor ihr und sagt: „Du bist gut durchgezogen, ich werde Dich jetzt ernten.“ Dann blitzt ein Messer auf.
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