Die Übernahme politischer Verantwortung muss nicht vom Parteibuch abhängen, meint der SPD-Ortsverein Kleinenbremen-Wülpke. Er will neue Wege gehen. Foto: Thissen/dpa (© (c) Copyright 2013, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten)

Porta Westfalica (mt). Der SPD-Ortsverein Kleinenbremen-Wülpke möchte junge Leute stärker für die politische Arbeit interessieren. Deshalb soll die SPD zur Kommunalwahl 2020 einen Teil ihrer Mandate dem politischen Nachwuchs anbieten. Eine Parteimitgliedschaft ist keine Voraussetzung. Der Antrag des Ortsvereins wird auf der SPD-Stadtverbandsversammlung am 29. August diskutiert. Der Vorstoß der Kleinenbremer und Wülpker Genossen geht auf eine Initiative von Dieter Lichte zurück. Der frühere SPD-Ratsherr und stellvertretende Bürgermeister hatte den Antrag formuliert, der vom Ortsverein einstimmig verabschiedet wurde.

Das ernüchternde SPD-Ergebnis bei der Europawahl auf Stadtebene und die Diskussion um die Portaner Schulpolitik samt Bürgerbegehren hätten gezeigt, dass die SPD ihr Ohr nicht mehr nah genug am Bürger habe, sagte Lichte gestern dem MT. Deshalb sei es wünschenswert, mehr junge Leute, zum Beispiel aus der Fridays-for-Future-Bewegung, für die Kommunalpolitik zu gewinnen und ihnen Verantwortung in Rat, Bezirksausschüssen oder als sachkundige Bürger anzubieten. Lichte könnte sich sogar vorstellen, die Hälfte der SPD-Mandate auf diese Weise zu besetzen. „Aber das ist wohl etwas zu hoch gegriffen. Ein Viertel bis ein Drittel wäre auch nicht schlecht.“

Der Ortsverein beantragt außerdem, die Öffentlichkeit bei der Bürgermeisterkandidatensuche mitwirken zu lassen. Dies habe sich bereits vor sechs Jahren bewährt. Denkbar sei eine öffentliche Ausschreibung. Nach einer bestimmten Frist sollten sich die Bewerber in mindestens drei Stadtteilen der Öffentlichkeit präsentieren und dann vom Stadtverband nominiert werden.

Wie berichtet (MT vom 25. Juni), ist ein solch aufwendiges Verfahren, aus dem damals Bernd Hedtmann als Sieger hervorging, dieses Mal eigentlich nicht geplant. Stattdessen wolle die SPD im Herbst ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin nominieren, teilte im Juni Stadtverbandsvorsitzender Karsten Donnecker mit. MT-Informationen zufolge werden SPD-intern die beiden Ratsherren Jörg Achilles und Friedrich Schmeding als Bürgermeisterkandidaten gehandelt. Beide hatten bereits in dem Auswahlverfahren vor sechs Jahren ihr Interesse bekundet.

Dass der Vorstoß von der Kleinenbremer/Wülpker SPD kommt, ist keine Überraschung. Dieter Lichte, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Ortsverein, war in seiner Zeit als Ratsmitglied, die 2005 endete, häufig mit Vorschlägen in die Offensive gegangen – zuweilen zur Überraschung seiner eigenen Fraktion. Längst ist es um den 73-Jährigen, der 2008 für sein ehrenamtliches Engagement mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet wurde, ruhiger geworden. Doch ab und zu meldet sich der Kleinenbremer bei Grundsatzfragen zurück. „Wir sind auch in unserem Ortsverein ein Club alter Herren“, sagt Lichte. Dieses müsse sich ändern, um ein repräsentatives Bild der Bevölkerungsstruktur widerzuspiegeln. Wenn man an der alten Form der Mandatsvergabe festhalte, würden nur altgediente Parteimitglieder die Möglichkeit haben, vorgeschlagen zu werden.

„Wir haben schon lange nicht mehr das Personal dafür, Fragen der Zukunft zu beantworten. Wie die letzten Wahlen zeigten, erkennen wir diese Fragen nicht einmal“, heißt es selbstkritisch in dem Antrag des SPD-Ortsvereins.

Um die Aufmerksamkeit interessierter junger Einwohner zu erhalten, seien Presseaufrufe zum Mitmachen wirksamer als „nutzlose Werbeflyer und Versprechungen“. Mit neuen Kandidaten würden sicherlich auch neue Wählerschichten angesprochen, die bisher nicht oder nur zögerlich SPD gewählt hätten, argumentiert der Ortsverein.

Selbstverständlich müssten neue Kandidaten „genauer unter die Lupe genommen werden, damit wir uns kein Kuckucksei ins Nest holen“. Und erfahrene Ratsmitglieder müssten weiterhin Mandate erhalten, damit die geordnete Fraktionsarbeit gewährleistet sei, schreibt der Ortsverein in seinem Antrag. Es dürfe aber nicht darum gehen, altgediente Genossen wegen ihrer langjährigen Mitgliedschaft mit einem Hinterbankplatz zu belohnen, um dann während der Legislaturperiode nichts mehr von ihnen hören. „Das nimmt uns der aufgeklärte Wähler nicht mehr ab.“

 

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