Das Rückkehr des Raubtiers polarisiert die Öffentlichkeit. Doch vor Jahrhunderten war die Mensch-Wolf-Beziehung ungleich schwieriger. Das zeigt ein Ereignis aus dem Jahr 1760.

Dieser Wolf durchstreift das Gehege eines Tierparks. Seine Artgenossen wurden in früheren Jahrhunderten gnadenlos gejagt. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa (© (c) dpa-Zentralbild)

Porta Westfalica (gp). Kaum steht fest, dass ein Wolf im November ein Schaf in Kleinenbremen gerissen hat, ist die Aufregung nicht nur in sozialen Netzwerken groß. Manche machen sich Sorgen über die plötzliche Nähe des Raubtiers, andere machen sich über solche Ängste lustig. Der Wolf polarisiert, weil er auf der „Angstliste“ vieler Menschen weit oben stehen. Da hilft es offenbar wenig, dass Politiker für mehr Sachlichkeit werben und Naturschützer das (Über-)Lebensrecht des Wolfes fordern.

In früheren Jahrhunderten war die Mensch-Wolf-Beziehung noch schwieriger und von geradezu inbrünstiger Abneigung geprägt. Kein anderes Tier wurde so ausdauernd und gnadenlos verfolgt wie der „Canis lupus“. Schon bei den Germanen habe der als „Hellehund“ und „Hellewolf“ bezeichnete Räuber als Inbegriff des Bösen gegolten, heißt es in dem 1835 von Jakob Grimm veröffentlichten Standardwerk „Deutsche Mythologie“. Daran änderte sich offenkundig auch nach der Christianisierung nichts. „Allen Thieren ist Friede gesetzet außer Wölffen, an dem bricht man keinen Frieden“, heißt es im „Schwabenspiegel“, einem der ältesten, im 13. Jahrhundert verfassten deutschsprachigen Rechtsbücher.

Warum das so war und blieb, wird in dem 1760 erschienenen Buch „Allgemeine Historie der Natur“ wie folgt beschrieben: „Der Wolf ist von Natur aus verdorben, von grausamem Gebaren, schädlich zu Lebzeiten und nutzlos nach seinem Tode. Seine Stimme ist Furcht erregend und sein Geruch unerträglich. Es gibt nichts Gutes an diesem Tier außer seinem Fell, das man zu groben Pelzen verarbeitet.“

Trotz immer neuer Anstrengungen blieb der Versuch, den verhassten Vierbeiner mittels „Wolfsgruben“, „Wolfsangeln“; „Wolfseisen“ und gelegentlichen Hetzjagden endgültig auszurotten, lange erfolglos. Die geschah erst mit Hilfe neuzeitlicher Feuerwaffen. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts galten die nordwestdeutschen Reichslande als „wolfsfrei“. Die letzten Exemplare in der hiesigen Region sollen bereits 1760 (in der Nähe von Loccum) und 1779 (im Raum Sachsenhagen) zur Strecke gebracht worden sein.

Über Organisation, Ablauf und Methoden der zahllosen Ausrottungsaktionen ist wenig bekannt. Eine Ausnahme ist die Hatz am 29. Mai 1760. Was sich damals hierzulande abspielte, kann man in einem amtlichen, im Staatsarchiv Bückeburg aufbewahrten Bericht nachlesen. Das knapp gehaltene, auf einem Blatt Papier abgefasste Dokument wurde vor etwa 50 Jahren eher zufällig entdeckt. Danach ging dem Abschuss des Hausberger „Problemwolfs“ eine spektakuläre Suchaktion zwischen der Westfälischen Pforte und der noch nahezu unberührten und unerschlossenen Gegend im und um den Schaumburger Wald voraus.

Auslöser war die Meldung, dass „im Frühjahr des Jahres 1760 ein Wolfsrüde die Porta Westphalica unsicher“ gemacht habe. In einer einzigen Nacht seien auf der Hausberger Amtsweide 32 Schafe gerissen worden. „Wenige Tage darauf bat die preußische Regierung in Minden die benachbarten Regierungen um Amtshilfe.“ Auch die schaumburg-lippischen Förster und Jäger seien aufgefordert worden, „die Augen offen zu halten und auf ihren Revieren auf Wolfsspuren zu achten“.

Die Einschaltung der Grenznachbarn bei solchen Anlässen war kein Einzelfall. Schon 1627 während des Dreißigjährigen Krieges hatten sich die Mindener zwecks „Aufbietung der schaumburgischen Untertanen zu einer Wolfsjagd“ an die Bückeburger Schlossherrschaft gewandt. Grund dürften deren jahrhundertelange Erfahrungen mit Wölfen und anderen Raubtieren gewesen sein. Bis ins frühe Mittelalter hinein hatte es in den unmittelbar östlich angrenzenden, äußerst unwegsamen Wald- und Auenflächen in Richtung Steinhuder Meer auch noch Bären und Luchse gegeben.

Im Falle des Porta-Wolfs seien schon bald „allerlei Beobachtungen eingegangen“, heißt es in den Aufzeichnungen. „Hier und da wollte man ihn im Lande gesehen haben, aber alle sogleich angeordneten Treibjagden hatten keinen Erfolg.“ Doch dann, Ende Mai 1760, ging alles sehr schnell. „Am 30. Mai 1760 erschien der Knecht des Klosters Loccum im Postamt in Hagenburg“, beginnt die Schilderung der Aufklärung. Der Knecht habe dem Postverwalter Engelke mitgeteilt, dass in der letzten Nacht der Loccumer Klosterförster ganz in der Nähe von Spießingshol (Forsthaus im Schaumburger Wald) einen Wolf erlegt habe. „Der Postverwalter schenkte dem Reden des Knechts zunächst wenig Glauben“, habe aber trotzdem einen Mann zum Amtmann Barkhausen aufs (verwaltungsmäßig zuständige) Hagenburger Schloss geschickt, um diesen zu informieren. Der Amtschef habe sogleich, um der Sache auf den Grund zu gehen, den Jäger Hitzemann nach Loccum geschickt.

Tatsächlich fand der in einem Nebengebäude „den lang gesuchten, vom Klosterjäger mit einem einzigen Schuss niedergestreckte Räuber“ vor. Nach Hitzemanns Einschätzung war das Tier ungefähr sieben Jahre alt. Aufgrund des Hitzemann-Berichts verfasste der Amtmann sofort einen Bericht für die Regierung in Bückeburg, den ein Bote noch am gleichen Tag ins Residenzschloss bringen musste. Der Alarm konnte abgeblasen werden, und auch die Leute rund um die Porta dürften erleichtert gewesen sein.

 

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