Vertrauensverhältnis hat Risse bekommen
Emotionsgeladene Sitzung des Bezirksausschusses Kleinenbremen/Wülpke / Neuer Barbara-Chef steht Rede und Antwort

     
Von Wilhelm Gerntrup

Porta Westfalica-Klienenbremen (gp). Keine Einlagerungen der Barbara ohne Zustimmung des Staatlichen Umweltamtes Minden (StUA) - mit dieser Forderung hat sich der Bezirksausschuss Kleinenbremen/ Wülpke in die neu entfachte Abfall-Diskussion in Nammen eingeschaltet.

Mit ihrem einstimmig verabschiedeten Beschluss reagierten die örtlichen Bürgervertreter auf Presseberichte, nach denen das StUA nicht mehr in die Kontrolle der zur Einlagerung vorgesehenen Stoffe einbezogen ist. Hintergrund: Das NRW-Umweltministerium als oberste Abfallbehörde des Landes hat den Mindener Fachleuten die weitere Gutachtertätigkeit untersagt, weil "wir die Einlagerungen in Nammen nicht länger mitverantworten können" (Aussage des zuständigen Fachabteilungsleiters Dr. Harald Friedrich).

Das müsse umgehend hinterfragt und aufgeklärt werden, sind sich die Ortspolitiker einig. "Ohne die Gewissheit, dass das StUA die Vorgänge im Auge hat, geht das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis in die Brüche", begründete SPD-Ratsherr Dieter Lichte die von ihm eingebrachte Beschlussvorlage. Eine Kontrolle durch die Bergämter allein sei nicht ausreichend. Die hätten sich in der Vergangenheit als "zu industriefreundlich" erwiesen.

Lichte will das Thema auch im Umwelt- und Planungsausschuss der Stadt auf die Tagesordnung setzen. Unabhängig davon hat Bürgermeister Hilmar Wohlgemuth bereits reagiert. Das Stadtoberhaupt habe in einem Brief an Ministerin Bärbel Höhn rückhaltlose Aufklärung verlangt, teilte Umweltschutzbeauftragter Dr. Albrecht von Lochow den Ortsräten mit. Bezirksausschuss-Vorsitzender Fritz Heine (CDU) kündigte eine Anfrage seines Parteifreundes Friedhelm Ortgies im NRW- Landtag an.

Zuvor hatte in einer der Sitzung vorgeschalteten Bürgerversammlung auch der neue Barbara-Chef Dr. Jürgen Hennies zur "Versatzeinbringung" Stellung genommen. Auch er wünsche die weitere Mitarbeit des StUA, versicherte er den gut 70, zum Teil lautstark und skeptisch reagierenden Zuhörern. Hinsichtlich der Qualität der Kontrollen sei der Ausstieg der Mindener aber kein Beinbruch. Deren Part werde mittlerweile - mit gleicher fachlicher Qualität - vom Hygieneinstitut Gelsenkirchen wahrgenommen. In Nammen komme nach wie vor nichts unter die Erde, was nicht auch den Segen der Mindener Fachleute bekommen würde, beteuerte Hennies.


Hat Abfallgeschäft keine Zukunft?

Mittelfristig werde sich das Thema ohnehin erledigen. Laut Hennies hat das Abfallgeschäft keine Perspektive mehr. Seine Unternehmensstrategie sei deshalb darauf ausgerichtet, den Betrieb auch ohne diese Einnahmequelle wettbewerbsfähig zu machen. In drei Jahren könne die Barbara ohne Einlagerung überleben. Unternehmensziel Nr. 1 soll laut Hennies wieder der Gesteinsabbau werden. Da oberirdische Steinbrüche wegen der Umweltbelastung ein Auslaufmodell seien, werde zunehmend der teurere Untertageabbau lukrativ.

  Neben Nammen soll deshalb zusätzlich der Abbau der "Schermbecker Linse" unterm Papenbrink reaktiviert werden. Ein Teil dieses weitgehend unter Rintelner Territorium liegenden Gesteinsfeldes war bereits zwischen 1935 und 1970 von Kleinenbremen aus aufgefahren worden. Der jetzt geplante Neueinstieg wird jedoch nicht über die alten Zugangsstollen auf dem Zechengelände der Grube Wohlverwahrt, sondern vom früheren Steinbruch Schiewe von Todenmann aus stattfinden.

Besorgten Anwohnern versicherte Hennies, dass es dabei weder Lärm noch Dreck geben werde. Auch Gebäudeschäden am Everdingsbrink infolge der unterirdischen Sprengungen schloss Hennies aus. Die Abfuhr des Steinmaterials soll künftig vorrangig über die Schiene abgewickelt werden. Zuerst werde in Nammen der alte MKB-Anschluss wieder instandgesetzt, kündigte der Barbara-Chef an. Auch beim Transport der Steine aus dem Papenbrink denkt Hennies an die Bahn. Die Verladung in Kleinenbremen sei technisch möglich.

"Das bereitet mir viel Kopfzerbrechen"

Selbst überrascht worden ist der neue Barbara-Chef nach eigenem Bekunden von dem Erdrutsch auf der Wülpker Egge. Als er den Kaufvertrag unterschrieben habe, seien nur ein paar kleine Risse zu sehen gewesen. "Was da jetzt passiert, bereitet mir viel Kopfzerbrechen". Aufgrund der Feststellungen der Bergbehörden und des geologischen Landesamtes sei inzwischen klar, dass das Bergprofil und der auf dem Kamm entlang führende Wanderweg nicht mehr zu halten seien.

Als Achillesferse habe sich die unter dem festen Kalkstein liegende "Heersumer Schicht" erwiesen. Sie wirke wie eine Gleitmasse. Alles was darüber liege, müsse abgetragen werden. Sichergestellt sei jedoch, dass die vorgesehenen Rekultivierungsmaßnahmen in vollem Umfang durchgeführt und finanziert werden könnten, versicherte Hennies. Auf sein Betreiben hin sei die Rückstellungssumme des Betriebes für den Ausgleich von Folgeschäden im Rahmen der Verkaufsverhandlungen von fünf auf sieben Millionen Mark aufgestockt worden.


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07.03.2001
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